Arzthaftung - Sorgfaltspflichten des Krankenhauses oder Pflegeheims - Schadensersatz - Schmerzensgeld - Beweiserleichterungen - "Sturzprophylaxe" - Obhutspflichten
Alt zu werden ist nicht immer leicht. Auch wenn der Geist noch wach ist, wird der Körper oftmals immer schwächer. Die Arztbesuche häufen sich, Krankenhausaufenthalte schließen sich an. Möglicherweise kann man gar nicht mehr für sich selbst sorgen, so dass letztlich ein Platz in einem Alten- oder Pflegeheim bezogen wird. Kurz: Man ist vermehrt auf die Hilfe anderer angewiesen. Gerade im Krankenhaus- und Pflegebetrieb muss man dann darauf vertrauen können, dass man bestmöglich versorgt wird.
Die Rechtsprechung hat hier, um der schwächeren Position des Patienten Rechnung zu tragen, besondere Grundsätze aufgestellt. So hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 18.12.1990, Az: VI ZR 169/90, Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten geschaffen: Im konkreten Fall ging es um einen 73 jährigen Patienten, der im Krankenhaus wegen eines Harnwegsinfekts behandelt wurde. Als eine Krankenschwester ihn vom Nachtstuhl heben und auf die Bettkante setzen wollte, stürzte er und zog sich einen Oberschenkelhalsbruch zu. Seine Krankenkasse verlangte nun vom Krankenhaus Ersatz der Kosten, die ihr durch die nachfolgenden erforderlichen Behandlungen entstanden waren.
Der BGH führte hierzu aus, dass das Krankenhaus sich dahin gehend zu entlasten habe, dass der Sturz nicht auf ein Verschulden der Krankenschwester zurückzuführen sei. Aus dem Behandlungsvertrag mit dem Krankenhaus ergebe sich die Pflicht, den Patienten vor Schäden zu bewahren, weil es um Risiken insbesondere aus dem Krankenhausbetrieb gehe, die der Krankenhausträger beziehungsweise das dort tätige Personal voll beherrsche. In einem Krankenhaus an einem Patienten vorgenommene Bewegungs- und Transportmaßnahmen müssen also so durchgeführt werde, dass ein Sturz des Patienten ausgeschlossen ist. Das ist Teil der Pflicht des Krankenhauses zu sachgerechter Betreuung.
Ähnlich entschied kürzlich das Kammergericht Berlin, Urteil vom 20.01.2005 – 20 U 401/01. Hier befand sich eine Patientin nach einem Unfall wegen einer Hirnblutung im Krankenhaus. Des Nachts wurde sie unruhig und versuchte über das Gitter ihres Bettes zu steigen, so dass das Pflegepersonal sie in den Krankenhausflur zur besseren Überwachung schob. Als sie morgens wieder unruhig wurde, setzte man sie in einen faltbaren Leichtgewichtrollstuhl, band sie mit einem Bauchtuch an und stellte sie vor das Stationszimmer. Die Patientin versuchte aufzustehen, kippte dabei mit dem Rollstuhl um und verletzte sich. Weil nicht ersichtlich sei, aus welchen Gründen die Patientin gestürzt sei, gehe dies zu Lasten des Krankenhausträgers. Es oblag diesem, dafür Sorge zu tragen, dass die Patientin keine ungehinderten Gehversuche unternahm. Sie befand sich in einer konkreten Gefahrensituation, woraus gesteigerte Obhutspflichten entstehen.
Diese Rechtsprechung stellt für den Patienten im Falle eines Prozesses eine erhebliche Erleichterung dar. Grundsätzlich hat der Patient als Kläger zu beweisen, dass dem Krankenhaus, beziehungsweise den Ärzten oder dem Pflegepersonal zumindest fahrlässig Fehler unterlaufen sind und dass gerade durch diesen Fehler ein Schaden entstanden ist. Dieser Beweis ist mitunter nur schwer zu führen. Wenn nun aber der Unfall aus einem vom Krankenhausträger sicher beherrschbaren Risiko hervorgegangen ist, muss sich der Patient lediglich darauf berufen, dass er im Gefahrenbereich des Krankenhauses gestürzt ist. Das Krankenhaus hat sich dann zu entlasten.
Sofern allerdings keine konkrete Gefahrensituation vorliegt, kann nicht zwangsläufig aus einem Sturz auf ein Verschulden des Pflegepersonals geschlossen werden.
So entschied der BGH am 28.04.2005 – III ZR 399/04 in einem Prozess gegen ein Pflegeheim. Grundsätzlich, so stellt der BGH klar, hat ein Heimträger aus dem geschlossenen Heimvertrag eine Obhutspflicht zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Bewohner. Diese Pflicht ist aber begrenzt auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind. Im entschiedenen Fall war die Heimbewohnerin in einem Zimmer mit zwei weiteren Bewohnerinnen untergebracht. Neben ihrem Bett befand sich erreichbar eine Klingel. Durch Rufe konnte sie sich ebenfalls bemerkbar machen. Das Pflegepersonal kontrollierte jede Stunde, ob alles in Ordnung war. Während zweier solcher Kontrollgänge kam die Bewohnerin aus ungeklärten Gründen vor dem Bett zu Fall und zog sich eine Oberschenkelhalsfraktur zu.
Das Gericht geht davon aus, dass es sich hier, anders als in den oben beschriebenen Fällen, um den normalen alltäglichen Gefahrenbereich handelte. Der gehöre zur eigenverantwortlichen Risikosphäre des Geschädigten. Wenn die Bewohnerin aufstehen wollte und hierfür Hilfe benötigte, hätte sie die Klingel bedienen können. Mehr könne von einem Heim nicht verlangt werden. Alles andere würde auf eine lückenlose Überwachung hinauslaufen.
Das ist einerseits aus wirtschaftlichen Gründen nicht umzusetzen, andererseits aber auch nicht mit dem Recht der Heimbewohner auf ihre Privatsphäre vereinbar.
Zum Thema „Sturzprophylaxe“ hat das OLG Dresden am 17.01.2006 - 2 U 753/04 entschieden, dass zwar ein Pflegeheim verpflichtet ist, bei der stationären Pflege des Bewohners den Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse einzuhalten und Maßnahmen ergreifen müssen, um Stürze des Bewohners zu verhindern. Wiederum im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten dürften die Anforderungen jedoch nicht überspannt werden.
So reicht es aus, dass das Heim angesichts der Gefahr wiederholter Stürze dem Bewohner anbietet, entsprechende Schutzmaßnahmen wie zum Beispiel Bettgitter zu ergreifen. Weigert sich der Bewohner, ist dies zu akzeptieren.
Kommt während der Behandlung in einem Krankenhaus oder während des Aufenthalts in einem Pflegeheim der Patient zu Schaden, sollte in jedem Fall fachkundiger Rat eingeholt werden, in wiefern Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht werden können.
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